Der grausam verstümmelte Tote, den der Dürkheimer Detektiv Detlev Menke an einen Laternenpfahl gefesselt findet, ist nur der Anfang einer brutalen Mordserie.
Menke – kein Fettnäpfchen ist vor ihm sicher oder er war stets bemüht … Trotzdem traut er sich zu, den oder die Mörder zu überführen, die ihre Opfer nach biblischen Vorlagen töten. Dass er dabei der Polizei das Leben schwer macht, stört ihn wenig …
Angelika Godau | Kindle | Taschenbuch
Kaum hatte ich die Haustür geöffnet, sah ich den Mann dort sitzen, der selbst aus der Entfernung unheimlich, fast bedrohlich auf mich wirkte.
Aufrecht, regungslos, das leicht erhobene Gesicht dem Michaelsberg zugewandt, saß er regungslos da. Mein Bauchgefühl riet mir dringend, einen anderen Weg einzuschlagen, aber Alli war dagegen. Er sprang jaulend in die Leine und gab alles, mich in die Richtung zu ziehen, in die ich nicht wollte. Alligator vom Trifels, genannt Alli, vereinte alle positiven Eigenschaften, die ein Dackel haben kann, in sich. Leider auch ein paar nicht so positive. Er war mir als Welpe von meiner Ex-Freundin Michelle geschenkt worden, und meine Begeisterung hatte sich in verdammt engen Grenzen bewegt. (s. Biertrinker sind verdächtig) Aber Alli wäre kein Dackel, hätte er es nicht geschafft, mich um die Pfote zu wickeln, ohne dass ich das bemerkt hätte. Mittlerweile war ich so weit, dass ich mich mit ihm unterhielt, und ihn gelegentlich um Rat fragte. Da ich in der Zeit mit ihm ebenfalls gelernt hatte, dass es völlig sinnlos ist, mit einem Dackel zu streiten, der sich etwas in den Kopf gesetzt hat, versuchte ich es auch jetzt nicht, sondern folgte ihm resigniert. Das bereute ich kurze Zeit später heftig, denn was ich zu sehen bekam, reichte für eine ganze Reihe von scheußlichen Alpträumen. Der Mann war mit Kabelbindern an das Stoppschild gefesselt, von denen einer den Hals fixierte und ein zweiter die Taille, so dass er nicht umfallen konnte. Die Beine waren gerade ausgestreckt, die Hände über dem entblößten Geschlecht, wie zum Gebet gefaltet. Ein Blick in sein Gesicht versetzte meinen leeren Magen in Aufruhr und ließ mich würgen. Er hatte keine Augen mehr, die waren irgendwo hinter teils verbranntem, teils blasig rohem Fleisch verschwunden, dafür hing die Zunge wie eine seltsam gemusterte blaurote Krawatte aus dem geöffneten Mund. Ich brachte es nicht über mich, an seinem Hals nach einem Puls zu suchen, aber es war ohnehin klar, dass hier selbst Dr. House resigniert hätte.
Alli war weniger empfindlich, er schnüffelte interessiert an den Händen des Mannes, und ich nahm schnell die Leine kurz und zog ihn weg, bevor ich mein Smartphone mit zitternden Fingern aus der Hosentasche fummelte und 110 drückte.
»Mein Name ist Detlev Menke. Ich weiß, es ist krass, aber ich habe schon wieder eine Leiche gefunden«, teilte ich dem Einsatzleiter der Polizeistation Bad Dürkheim mit.
War ja möglich, dass der sich an mich erinnerte. Schließlich war es gerade sechs Wochen her, dass ich in einem Hotelzimmer die Leiche einer jungen Frau vorgefunden hatte, mit der ich zu einem romantischen Date verabredet gewesen war. Natürlich hatte nicht ich sie getötet, was sich zum Glück schnell beweisen ließ. So schrecklich diese Geschichte war, etwas Gutes hatte sie gebracht, meine auftragslos vor sich hin dümpelnde Detektei nahm einen ungeahnten Aufschwung. Seit Alli und ich in einer Art Heldenepos in der Rheinpfalz erschienen waren, klingelte mein Telefon recht häufig. Privat hatte es obendrein dazu geführt, dass zwischen mir und Oberkommissarin Tabea Kühn, keine Eiszeit mehr herrschte. Wir waren sogar zusammen essen gegangen. Nur essen, mehr nicht. Wir wollten alles langsam angehen lassen, darüber waren wir uns einig, außerdem arbeitete Tabea hart und auch ich hatte, wie gesagt, gutzutun. Und nicht zu vergessen, unterstützte ich nun, wie versprochen, Mutter und Schwester zumindest am Wochenende hin und wieder in unserem Weingut. Das Weingut Menke, seit Adam und Eva in Familienbesitz, hatte mich nie viel interessiert, solange mein monatlicher Scheck nicht ausblieb. Das hatte sich erst geändert, als meine Schwester Wiebke an Brustkrebs erkrankt war und mir einige Leute brutal vor Augen geführt hatten, was für ein egoistisches Arschloch ich war. Auch wenn ich mich vehement dagegen gewehrt hatte, im tiefsten Inneren wusste ich, dass sie recht hatten und ich etwas ändern musste. Es war an der Zeit, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Viel Freizeit blieb mir daher nicht mehr, aber davon hatte ich 26 Jahre ohnehin viel zu viel in Anspruch genommen.
Nun stand ich also mit der nächsten Leiche da und hoffte inständig, nicht erneut in Verdacht zu geraten. Kurz kam mir die Idee, zu behaupten, den Mann nicht zu kennen, rein zufällig vorbeigekommen zu sein, aber das verwarf ich schnell. Von Ferne hörte ich die Sirene eines Polizeiwagens, der kurz darauf neben mir bremste. Die beiden jungen Beamten der Schutzpolizei kannte ich nicht und registrierte nervös, dass beide die Hände über den geöffneten Holstern hatten.