
Tatort Ostsee: Tödlicher Verdacht
Halluzinierende Kurgäste und eine Leiche – in der Ostseeklinik herrscht Angst und Chaos. Lag es wirklich am Kräutertee?
Die siebzehnjährige Ida hat zum Glück nichts davon getrunken. Nur ein Zufall? Oder hatte der Student Jan seine Finger im Spiel. Er kümmert sich auffällig viel um das junge Mädchen, findet Reha-Assistentin Alma Brodersen. Welche Absichten verfolgt der ehrgeizige Medizinstudent? Als herauskommt, dass die verdächtige Teemischung aus der Apotheke von Gesa Bährs Schwester Hilde stammt, steckt die Familie der Hauptkommissarin plötzlich mittendrin in dem Fall. Dabei hat Gesa wegen eines Streits mit ihrer Tochter Svenja genug private Sorgen. Die Neunzehnjährige hat überraschend einen Brief von ihrem verschollenen Vater erhalten. Gesa ist skeptisch. Ausgerechnet jetzt jobbt Svenja auch noch in der Küche der mörderischen Kurklinik. Plötzlich verschwindet sie spurlos von dort.
Noch ahnt Gesa nicht, wie sehr es dieses Mal auf den Zusammenhalt zwischen ihr und Oberkommissar Lux ankommen wird, um das Schlimmste zu verhindern …
A. Collin | Kindle | Taschenbuch
»Du frierst ja immer noch«, Jan beugt sich zu Ida hinunter. »Gib mir mal deine Hände!«, bittet er.
Behutsam umschließt er die Finger der Siebzehnjährigen und haucht warme Luft in die Öffnung zwischen seinen Handflächen.
»Na, wird’s langsam besser?«
Ida nickt. Ihre Augen glänzen feucht vom kalten Seewind.
Trotz schönstem Frühlingswetter glich ihr Ausflug an den Strand einer Polarexpedition. Der weiße Küstensand war wie Schneegestöber durch die Luft gewirbelt und hatte ein kräftiges Rot in Idas blasses Gesicht gezaubert.
Wäre sie nur in der Kurklinik geblieben.
Den übrigen vier Teilnehmern des morgendlichen Strandspaziergangs erging es genauso. Alle hatten die Kälte unterschätzt. Bibbernd stehen sie vor dem Kaminfeuer im Teezimmer der Ostseeklinik und tuscheln.
»Hab ich euch nicht gewarnt? Die Sonnenwärme täuscht«, belehrt Alma Brodersen ihre Schützlinge. »Sobald der Wind über das eiskalte Wasser bläst, frieren euch ohne Handschuhe die Finger ab.«
Die erfahrene Reha-Assistentin verlässt kopfschüttelnd den Raum und kehrt kurz darauf mit einem Tablett voller Keramikbecher zurück.
Ihr berühmter Kräutertee bewirkt wahre Wunder.
»So, nun kommt alle an den Tisch!«, ruft sie. »Jan, schiebst du Ida bitte zu uns herüber.«
»Das kurze Stückchen schafft sie zu gehen«, widerspricht ihr der dreiundzwanzigjährige Medizinstudent und hilft Ida aus dem Rollstuhl.
Schlaumeier.
Was scharwenzelt der Möchtegerndoktor ständig um das Mädchen herum?
Alma mag Jan nicht. Er hat durch Zufall mitbekommen, dass sie die Mischung für ihren Naturkräutertrunk in der Apotheke zubereiten lässt.
Aber es ist ihr Rezept! Da ist es doch schnurzegal, wer das Pulver anrührt.
Bei dem Personalnotstand und ihren ständig steigenden Aufgaben schafft sie es nicht mehr selbst.
Der Klugscheißer von der Uni ist auch keine große Hilfe. Er schnüffelt überall herum und behauptet doch glatt, die Methoden, nach denen Idas Muskelschwäche behandelt wird, seien veraltet.
Wenn Alma das dem Professor steckt, hat der neunmalkluge Student sein Praktikum hier schneller beendet, als ihm lieb ist.
»Nun setzt euch endlich und hängt bitte die Anoraks an den Garderobenständer! Drinnen ist es warm genug«, ruft die Fünfzigjährige den immer noch leise diskutierenden Kurpatienten zu, »verteil du bitte schon mal die Becher, Jan!«
Der athletische Student hat als Einziger seine Jacke bereits ausgezogen und einfach achtlos über einen Stuhl geworfen.
Der Streber springt jeden Morgen in die eiskalte Ostsee.
»Und nimm dir selbst auch einen Tee«, sagt Alma mit einem breiten Grinsen. Sie weiß, dass Jan versuchen wird, sich wieder davor zu drücken.
Aber nicht mit ihr!