„Rue des Marmousets“ von Reinhard Skandera

Der Roman führt in die dunklen Seiten des historischen Paris, in die Rue des Marmousets im Armenviertel Saint Marcel. Zu beiden Seiten der Straße stehen vierstöckige Häuser, am Flüsschen Bièvre betreiben baskische Einwanderer eine Gerberei.

Im täglichen Trubel ermordet ein Serientäter drei junge Mädchen kurz hintereinander am helllichten Tag. Chaos bricht bei den Familien aus, denn alle fürchten um das Leben ihrer Mädchen. Eifrige Nachbarn machen schnell den Mörder aus, der jedoch nicht der Täter ist. Bürger organisieren einen Marsch zum Rathaus, setzen den Richter massiv unter Druck. Die Ereignisse überschlagen sich, einige schreien nach der Lynchjustiz. Der Governor persönlich gerät in Gefahr. Die Ermittler Samuel de Beauroglie und Raphaela Hors la Loi quartieren sich in der Rue des Marmousets ein. Spuren führen auch in ein geheimes Amüsierviertel, das seltsame Attraktionen darbietet. Was hat ein früherer Mord in der Provinz Limousin mit den Taten zu tun? Die Spannung dauert an bis zur letzten Seite. Das bittere Ende bringt die Erkenntnis, dass der Mörder auch schon in anderen Städten sein Unwesen trieb.

Kindle | Taschenbuch | Historische Kriminalromane von Reinhard Skandera

Niedergeschlagen kehrte Samuel de Beauroglie im Sommer 1730 von einer Reise nach Saint Paul de Leon am Atlantischen Ozean auf das Landgut in der Courtille nahe Paris zurück. Er stammte aus dem Küstenort, wo er vor 35 Jahren das Licht der Welt erblickte. Der Ritt nach Paris dauerte einen Tag. Er freute er sich auf seine Frau Marie, die ihn einst davor bewahrt hatte, die Karriere eines Verbrechers einzuschlagen. Ihr zuliebe trennte er sich von einer Räuberbande, die er mit sechzehn gegründet hatte.
Samuel besuchte die Familie, da der Vater in der vergangenen Woche starb. Endlich, sah er die 9 Geschwister wieder. Er liebte sie, die zu ihm, dem Ältesten, heraufschauten. Nur er hatte es gewagt, gegen den gewalttätigen, autoritären Herrscher aufzubegehren. Im Zorn hatte er einst zurückgeschlagen. Er beteuerte, dass er die Beherrschung verloren hatte, und bat den Tyrannen um Entschuldigung. Der Erzeuger warf Samuel an dem Tag aus dem Elternhaus. Jetzt, nach dem Tod des Alten, kehrte er zurück.
Vor zehn Jahren heiratete er Maria. Sie bauten gemeinsam eine Zucht der Pferderasse Selle Français auf. Samuel dankte dem Schicksal, das es gut mit den Eheleuten meinte. In Maria hatte er die ideale Frau für sich gefunden.
Er bemerkte, bevor er auf den Hof einritt, dass etwas nicht stimmte. Um die Tageszeit erhielten die Tiere das Abendfutter. Sie äußerten ihre Vorfreude durch laute Rufe. An dem Tag herrschte Totenstille. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Was bedeutete das? Er fürchtete, dass Schreckliches während seiner Abwesenheit geschah. Einer der beiden Hengste überquerte das Pflaster im wilden Galopp. Er sah die Angst in den Augen der Kreatur.
Im Stall stand er der Grauen gegenüber. Die Pferde lagen abgeschlachtet in den Boxen. Die beiden trächtigen Stuten fehlten. Panisch stürmte er in das Wohnhaus.
Maria fand er auf dem Küchenboden, unbekleidet, der Körper durch unzählige Messerstiche hingerichtet. Verzweifelt legte er sie in den Schoß, forderte sie immer wieder auf zu antworten. Sie blieb stumm.
Das Haushälter – Ehepaar, das sie ebenfalls auf bestialische Weise ermordet hatten, entdeckte er in einer Kammer. Er verfluchte Gott. Hatte er gesündigt? Nachdem er durch Maria zum christlichen Glauben gefunden hatte, hatte er die Beichte abgelegt. Samuel verlor an dem Tag alles, was er liebte.
Bis heute, im Sommer 1740, zehn Jahre nach dem Überfall auf das Gut, bleiben die Morde ungesühnt.
Die intensiven Bemühungen der Pariser Polizei, die Täter zu finden, blieben ohne Erfolg. Am Ende der Suche stand das Fazit, dass die Verbrecher mit den Pferden in den Süden Frankreichs flohen. Samuel glaubte nicht an die Theorie.
Er erfüllte das Versprechen, das er Maria gegeben hatte, nachdem sie ihm aus der Heimat in Pommern in das Königreich Frankreich folgte. Für den Fall des Todes hatte Samuel ihr versichert, sie in der heimatlichen Erde zu begraben. Nach der Beerdigung verweilte er drei Monate in Brandenburg-Preußen, um zu trauern, um Abstand zu gewinnen.
Im Anschluss an die Rückkehr verkaufte er das Landgut an Anais Faire la Nouba. Eine Bekannte, die er über André Roublard, den „Tortenzauberer“, kennengelernt hatte. Sie betrieb eine Boulonnais Zucht, und beabsichtigte, auf Samuels Hof zusätzlich eine Ardenner Zucht aufzubauen. Sie verstanden sich auf Anhieb, vermieden jedoch ein näheres Kennenlernen.
Samuel fasste in der Zeit, die er in Pommern verbrachte, einen unumstößlichen Entschluss. Nach Marias Tod sah er in einem Weiterleben ohne sie keinen Sinn. Auf endlosen Wanderungen in den pommerschen Ebenen fand er eine Aufgabe, die dem irdischen Dasein einen Wert geben würde. Er verschrieb sich der Mission, die Welt gerechter zu machen. So gelang es ihm, das Leben mit frischem Antrieb fortzusetzen.
Samuel schwor auf die Bibel, dass er Gott und den Mitmenschen dienen wird, indem er bis an das Lebensende Verbrecher jagt. Niemand, der einen anderen vorsätzlich tötet, wird in Zukunft ungestraft davonkommen.
Das Stadthaus in der Rue des Fossoyeurs kaufte er, um in der Nähe von Pierre Monteton zu wohnen, einem Freund aus vergangenen Tagen. Der stammte aus demselben Ort. Sie lernten sich in der Schulzeit kennen. Die Wege trennten sich, nachdem beide die Schule beendet hatten.
Samuel startete eine Räuberkarriere mit sechzehn. Pierre verurteilte die Beutezüge scharf. Er vertrat den Standpunkt, nur der absolut redliche Mensch verdiene ein Weiterleben nach dem Tode. Pierre wuchs in einer bürgerlichen, gut situierten Familie auf. Der Vater bekleidete einen hohen Posten in der Verwaltung des Departements. Samuels Kindheit hingegen, eines von zehn Kindern der Eheleute Bretione, prägten Armut und Schläge. Das Gefühl, satt zu sein, lernte er erst außerhalb der Familie kennen.
Pierre verließ Saint Paul de Leon in Richtung Paris, wo er in einen Kirchenorden eintrat. Er begeisterte die Mitbrüder mit seinem Orgelspiel, sodass sie ihn zum 1. Organisten der Gemeinde Saint-Germain des Pres ernannten. In der Kirche Saint Sulpice spielte er auf einer Orgel, die François-Henri Clicquot erbaut hatte. Sie bestand aus 64 Registern auf fünf Manualen und Pedalen. Jeder Kirchenmusiker träumte davon, auf dem weltberühmten Instrument zu spielen.
Manch einer mordete für die Möglichkeit, ging ein nicht ernst gemeintes Wort unter den Kollegen.
Überglücklich über Samuels Wandlung suchte Pierre dessen Nähe. Die Freunde verließen sich wieder aufeinander. Einer vertraute dem anderen. Pierre sorgte sich nach der Veröffentlichung in der Gazette um Samuel.
„Jetzt wissen die Pariser Ganoven, wer ihre Geschäfte zukünftig stört. Du lebst ab sofort in ständiger Lebensgefahr. Warum beginnst du die Mission nicht im Verborgenen?“
„Nein Pierre ich will, dass sie mich fürchten. Paris soll eine Stadt werden, in der keine Morde mehr geschehen.“ Pierre schüttelt den Kopf.
„Tötungsdelikte aus Paris zu verbannen, hieße der König Louis XIV. neigte zur Abstinenz.“
„Gott hilft dem, der Unmögliches anstrebt. Du, ein Mann der katholischen Kirche, gibst mir recht, oder? Fände ich den Tod bei der Erfüllung der Aufgabe, erfüllte sich mein Leben. Ich träte erhobenen Hauptes vor Maria.“

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